Bäume schreiben

„Kein Knoten kann mehr als eine Mutter haben. Ein Knoten heißt Blatt, wenn er keine Kinder hat. Die Tiefe eines Knotens ist die Anzahl der Kanten, um ihn von der Wurzel aus zu erreichen.“
(aus einer Anleitung zum Zeichnen von Bäumen in der Graphentheorie)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was ist eigentlich ein Baum? Ist ein Baum eine Form? Kann man sie topologisch beschreiben, und hat man damit ihr Wesen erfasst? Diese Form verbindet eine Vielzahl von Erscheinungen in unserer Welt, sehr vieles stellt sich baumförmig dar, visuell auf den ersten Blick zu erkennen. Doch auch andere Sachverhalte sind vielleicht baumförmig, wenn man sich ihre Struktur anschaut. Ein Baum scheint eine verzweigte Struktur zu sein, bei der aus Knotenpunkten immer neue Abzweigungen entstehen. Er ist eine selbstähnliche Struktur, in der sich ein bestimmtes Bauprinzip im Großen wie im Kleinen bis in die kleinste Verästelung wiederholt. Diese Struktur ist offensichtlich sehr „mächtig“ und scheint praktische Vorteile zu bieten – so findet man sie in Bäumen und Pflanzen allgemein bis in die Verästelung der Blattadern, in menschlichen Arterien, in den Bronchien, in Flußdeltas, in Nervenzellen, in gewachsenen Kristallen. Jedoch auch Gedankengänge, eine Abfolge von Entscheidungen und die dabei nicht gewählten Alternativen und ihre hypothetisch möglichen weiteren Wahlmöglichkeiten kann man baumartig darstellen. Die Ausdifferenzierung eines Systems,  einer wachsenden und sich entwickelnden Gesellschaft, kann man baumartig begreifen. Auch die Verteilung und Nutzung von Ressourcen und die Produktion und den Konsum von Waren innerhalb der menschlichen Weltgesellschaft könnte man baumartig als eine Übersicht besser begreifen.
Auch ein Text, mit seinen Hauptsträngen und Unterkapiteln wächst möglichweise oft ähnlich einem Baum heran. Menschliche Stammbäume sind offensichtlich baumartig aufgebaut.
Die Frage nach dem Ursprung des Lebens ist vielleicht eigentlich die Frage nach der Wurzel, aus der alles begonnen hat, sich zu verästeln.
Bäume spielen auch in der Informatik eine große Rolle: sie sind eine sehr praktische, zeitsparende Datenstruktur, in der man häufig am effizientesten Daten finden kann. Nichts anderes eigentlich, als ein Baum, der durch seine baumartige Wuchsform am effizientesten Wasser und Nährstoffe verteilen kann.
Die Metapher des Baums wuchert in die Informatik und die Graphentheorie hinein: dort gibt es Bäume, Wälder, Äste und Blätter. Es fehlt nur noch, dass der Wind sie zum Rauschen bringt.
Die Graphentheorie spricht davon, dass man jeden Knotenpunkt nehmen kann, den Baum „schütteln“, bis alle anderen Äste nach unten fallen, und so aus jedem Knotenpunkt die Wurzel machen können.
Ein Baum ist kein Netz, er besitzt keine kreisförmigen Strukturen. Dennoch könnte man aus einem Netz viele Bäume herauslösen – beide besitzen gemeinsame Eigenschaften.